Zum Inhalt: Eigentlich wollte Emmi doch nur ein Abo kündigen. Aufgrund ihres "Ei"-Problems landet die Kündigungsmail jedoch bei Leo. Und auch die zweite. Und die dritte. Und dann noch ihre Weihnachtspost, die eigentlich an alle Kunden gehen sollte. Irgendwie scheint das Schicksal es zu wollen, dass Emmi und Leo sich schreiben. Und das Schicksal will es so lang, bis auch Emmi und Leo es wollen. Und so wollen sie zuerst den regen Mailverkehr, dann die guten Gespräche und schließlich einander.
Meine Meinung: "Gut gegen Nordwind" ist komplett in einzelnen E-Mails geschrieben. Dadurch liest es sich zwar schön flüssig, riskiert aber auch, seine Leserschaft zu polarisieren. Der eine mag das, der andere nicht. So fehlen dem Leser jedenfalls komplett sämtliche Beschreibungen und er ist nicht, wie in vielen anderen Romanen, allwissend oder stummer Beobachter. Er bekommt immer genau das zu lesen, was der jeweilige Empfänger auch in seinem Mailfach gefunden hat. Das stellt ihn zunächst einmal vor die schwierige Aufgabe, sich abwechselnd in Emmi und Leo hinein zu versetzen. Ohne das bekommt man leider schnell einen falschen Eindruck. Dann wirkt Emmi plötzlich zickig und abweisend und Leo schwierig und selbstgefällig.
Auch gefühlsmäßig nüchternen Menschen möchte ich dieses Buch nicht empfehlen. Wer glaubt, dass Menschen wirklich immer das meinen, was sie sagen bzw. schreiben und dass es zwischen den Zeilen nichts zu lesen gibt, der wird an diesem Buch verzweifeln. Warum um Himmels Willen treffen sie sich nicht endlich? Warum wissen sie nach Monaten täglichen Mailverkehrs immer noch so wenig "Reales" voneinander? Weshalb reden sie ständig um den heißen Brei herum? Das sind Dinge, die man wohl nur dann verstehen kann, wenn man selbst genug Unordnung in seinem Kopf hat und nicht immer klar denkt, wenn es um zwischenmenschliche Situationen geht. Wenn man weiß, was es heißt, wenn das eigene Leben doch eigentlich sehr gut und ordentlich ist...und man doch immer wieder Zweifel an sich selbst und anderen Menschen und deren Intention hat. Das alles sind Dinge, die so eigentlich nie in Gesprächen angesprochen werden. Jedenfalls nicht direkt. Wir reden und reden und die eigentlichen Fragen werden doch oft nie gestellt. Und so stellen auch Emmi und Leo sie nicht. Wie gesagt, man muss sich in diese Schreibweise verlieben und das setzt voraus, dass man die Denkweise der Charaktere auch nur ansatzweise nachvollziehen kann.
Wartet man hingegen darauf, dass etwas passiert, etwas Großes, etwas Hollywood-mäßiges, dann wartet man vergeblich. Denn faktisch passiert eigentlich nichts. Die Freundschaft der beiden entwickelt sich, mal mehr, mal weniger rasant. Aber es gibt keine Ereignisse an sich, die mit vielen großen Worten beschrieben werden. Auch hier ist wieder der Leser gefragt. Er muss in den Worten der beiden Protagonisten selbst die Bedeutung erkennen, sonst liest man halt nur ein paar Mails eines Schriftwechsels, welcher einen selbst so gar nicht betrifft.
Bei mir hat das recht gut geklappt, wobei mein Problem eher war, dass ich mich in die Situation der beiden nicht hineinversetzen konnte. Ihr Gefühlschaos konnte ich verstehen, die Hintergründe in meiner jetzigen Lebenssituation weniger. Schön fand ich dagegen, Momente, in denen es gar nicht so sehr um Emmi und Leo ging bzw. welche man so auch in jeder beliebigen Sekunde wahrscheinlich überall auf der großen Datenautobahn finden würde, wenn man mal eben einzelne E-Mails verfolgen könnte. Jeden Tag haben Personen solche und ähnliche Gespräche. Und das ist wohl auch das, was dieses Buch so gut macht. Es geht um Emmi, die "glücklich verheiratet" ist mit "zwei Stiefkindern, einem Hund, aber keinen Streifenhörnchen" und um Leo, der immer mal wieder unglücklich frisch getrennt von Marlene ist. Und doch geht es eigentlich um jeden, der schon einmal den perfekten Gesprächspartner, Zuhörer oder vielleicht sogar eine Art "Seelenverwandten" in einem völlig Fremden gefunden hat.
Insgesamt fand ich das Buch in sich stimmig, durch die einzeln E-Mails auch locker geschrieben und konnte immer mal wieder nicken oder sogar lachen, weil ich mich doch in der einen oder anderen Aussage selbst finden konnte.
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