Mittwoch, 26. Oktober 2011

Flavia de Luce 02 - Mord ist kein Kinderspiel von Alan Bradley

Ich geb's ungern zu, aber wenn ich mir so die Rezensionen in den letzten Wochen anschaue, kann ich mich eigentlich nur schämen. Denn es gibt gar keine. Ich hab' noch nicht mal eine gute Entschuldigung parat. Irgendwie kam ich nicht so recht voran und dann habe ich auch noch Bücher unterbrochen, um andere anzufangen.

Auf gar keinen Fall aufschieben konnte ich dabei den zweiten Teil der Flavia de Luce-Reihe von Alan Bradley. Es war schon schlimm genug, dass ich mich zwinge, die Bücher nicht auf Englisch und nicht im gebundenen Format zu lesen. Ersteres, weil ich nunmal auf Deutsch damit angefangen habe, letzteres, weil ich mich sonst tot ärgere. Wenn ich die Wahl habe, greife ich immer zum Taschenbuch. Aber nun war es endlich soweit und ich konnte wieder Flavia und ihrer herrlichen britisch-trockenen Art folgen.

Zum Inhalt: Auch im zweiten Teil kommt es im beschaulichen englischen Dörfchen Bishop's Lacey zu einem grausamen Mord, mit dessen Aufklärung die kleine Polizeibehörde vor Ort überfordert scheint. Der Puppenspieler Rupert Porson wird quasi live vor seinem Publikum auf der Bühne ermordet und zunächst scheint niemand so richtig ein Motiv zu haben. Doch auch hier deckt Flavia wieder mit ihrem messerscharfen Verstand die Hintergründe auf.

Meine Meinung: Ich mag eigentlich solche platten Sprüche nicht, aber über die Flavia de Luce-Reihe kann sogar ich getrost sagen, dass sie mir ein Mordsvergnügen bereiten. Flavia ist herrlich trocken und nüchtern und stellenweise wirklich makaber. Besonders für ein noch nicht einmal elfjähriges Mädchen. Ihre Hobbies bestehen hauptsächlich aus Giftmischen und -mord. Überhaupt findet sie alles super, was mit Chemie zu tun hat - und das ist eigentlich alles. Wenn es dabei auch noch um Mord und sonstige Grausamkeiten geht, ist sie sofort dabei. Und das mit einem geradezu morbiden Interesse. Trotzdem schließt man sie gleich ins Herz, denn man erfährt auch immer etwas über die Hintergründe. Sie wohnt mit ihrem Vater - ein passionierter Philatelist - und ihren beiden Schwestern - zwei echte Zicken - auf Buckshaw, einem Anwesen in Bishop's Lacey, welches sie allerdings aufgrund der schwachen Finanzlage ihres Vaters ständig zu verlieren drohen. Ihre Mutter ist gestorben, als sie noch klein war, ihr Vater hat eigentlich nie Zeit für seine Kinder und ihre Schwestern sind sowieso der reine Horror und ziehen sie ständig damit auf, dass sie der Grund für den Tod ihrer Mutter war. Da ist es wohl kein Wunder, wenn ein Mädchen...naja, sagen wir mal etwas zynisch wird. Alan Bradley findet da allerdings genau den richtigen Mittelweg, sodass man Flavia als sehr liebenswert empfindet trotz ihrer seltsamen Hobbies, aber auch nicht in Mitleid für sie versinkt. Denn das hat sie eigentlich gar nicht nötig.

Aber nicht nur die kleine Protagonistin und ihre seltsame Familie bereiten einem hier Freude. Denn Bishop's Lacey hat eine ganze Menge recht skurriler Charaktere zu bieten, die alle ein Teil des Puzzles zu besitzen scheinen, welches Flavia langsam zusammenfügen muss, um auch diesen Fall zu lösen. Dabei fast es an einer Stelle einer der Polizeibeamten sehr gut zusammen. Als der Inspektor ihn fragt, warum er und seine Kollegen nicht zu diesem Schluss kamen, antwortet er: "Weil wir nicht Miss de Luce sind!" Denn Flavia versteht es wunderbar, sich in die Herzen ihrer Nachbarn und Bekannten zu reden und so erzählen sie ihr quasi nebenbei Dinge, die die kleine Detektivin bei der Aufklärung des Mordes sehr gut gebrauchen kann.

Insgesamt war mir im zweiten Teil der Vorspann einen Tick zu lang. Obwohl das Buch an sich mit 350 Seiten gar nicht so dick ist, dauerte es für mich schon sehr lang, bis überhaupt ein Mord geschah. Zwar könnte ich wahrscheinlich auch ein komplett ereignisloses Tagebuch von Flavia lesen und mich köstlich amüsieren, aber wenn man ein Buch dieser Reihe liest - besonders bei DEM Titel -, weiß man ja, dass es früher oder später einen Mord geben wird und dadurch wartet man natürlich schon fast ungeduldig darauf. Außerdem hätte ich mir gewünscht, dass man am Ende etwas mehr über das Schicksal von Nialla, Ruperts Gehilfin, erfährt. Die Aufklärung des Mordes an sich ist wieder richtig schön spannend und skurril. Natürlich wirkt es bei solchen Krimiserien immer etwas verwunderlich, was plötzlich so alles in so einem kleinen Dorf wie Bishop's Lacey vor sich geht. Gleich zwei Morde in so kurzer Zeit und die ganzen Zusammenhänge, die sich bei deren Aufklärungen ergeben, sind natürlich auch sehr große Zufälle. Aber von so etwas leben ja auch gerade englische Krimis. Klar könnte man hier die Handlung auch in größere Städte wie London, Manchester oder Birmingham verlegen. Aber dann gehen auch wieder so herrliche Charaktere wie Mrs Mullet, die geschwätzige Haushälterin der de Luces, oder Miss Cool, die ein Postamt mit Süßigkeitengeschäft betreibt, verloren. Solche britischen Originale findet man nämlich eigentlich nur noch in kleineren Städtchen. Auch zu Flavias Zeit schon, denn die Serie spielt sich kurz nach dem zweiten Weltkrieg ab, in diesem Fall 1950. In diesem Fall kann ich also wirklich nur sagen, dass diese Zufälle mir zwar auffallen, aber mich nicht stören.

Ich kann nur sagen, dass mich der zweite Teil, trotz ein paar Schwächen, genau so begeistert hat wie der erste. Jetzt kann ich es kaum erwarten, den nächsten in die Finger zu bekommen!

Bewertung:

3 Kommentare:

  1. Tolle Rezension, der erste Band der Flavia-Reihe wartet schon auf mich (in englischer Sprache). Bisher konnte ich mich noch nicht überwinden ihn zu lesen (ich weiß auch nicht wieso), aber die positiven Rezensionen nehmen kein Ende - vielleicht sollte ich mal demnächst zu dem Buch greifen. ;-)

    Liebe Grüße!

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  2. Wunderbar! Ich habe den ersten Teil zwar noch ungelesen im regal stehen, weil ich momentan noch mit "Das Haus" Danielewski beschaeftigt bin, kann es aber schon kaum abwarten, endlich Flavia De Luce zu lesen und habe mich schon lange Zeit auf den zweiten teil als Taschenbuch gefreut, weil ich wusste, dass mir das gefallen wird. Da freut man sich zu sehen, dass der zweite Teil auch gut ist! =)

    Mit freundlichen Gruessen!
    http://doomsdaypenguin.blogspot.com/

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  3. @Nirgendwo: Ich wünschte mir ja auch, dass ich die Reihe auf Englisch begonnen hätte. Aber mein innerer Monk bringt mich dann immer dazu, bei solchen Reihen nicht mittendrin die Sprache zu wechseln. Auf Englisch ist es aber sicher noch authentischer! Es hat bei mir aber auch ewig gedauert, bis ich mich überhaupt zum Kauf des Buches überwinden konnte (also des ersten Bandes), weil es eben doch bei den Krimis stand und das war bis jetzt noch so gar nicht meins.

    @Z.innherz - Da muss ich gleich mal googlen (oder nennt man das in dem Fall amazonen?), was du da für ein Buch liest. Der Titel klingt ja schon super! :)

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