Donnerstag, 27. September 2012

"The Kindest Thing" von Cath Staincliffe

Zum Inhalt: Deborah ist verheiratet mit ihrem Mann Neil, den sie sehr liebt. Sie hat zwei großartige Kinder. Ihr Job als Innenarchitektin läuft fantastisch. Kurzum: Ihr Leben könnte nicht perfekter sein. Doch dann bekommt Neil eine fatale Diagnose: Er leidet unter MND, einer unheilbaren Nervenkrankheit, welche ihn in kurzer Zeit zunächst bewegungsunfähig macht und schließlich zum Tod durch Ersticken führen wird. Als er sie um Sterbehilfe bittet, sagt Deborah schließlich zu und muss danach mit den Konsequenzen und den Reaktionen von Familienmitgliedern und Freunden leben.

Infos zum Buch: "The Kindest Thing", Constable & Robinson, Taschenbuch, 288 Seiten, 10,99 € | Bei Amazon kaufen

Meine Meinung: Das Thema "Sterbehilfe" ist völlig zurecht ein umstrittenes Thema. Schon vorab war ich mir nie wirklich sicher, wie ich dazu stehe, weil ich einfach finde, dass es im Nachhinein unheimlich schwer ist, zu sagen, ob der Verstorbene wirklich einverstanden war und wenn ja, unter welchen Umständen dieses Einverständnis gegeben wurde. Genau damit befasst sich auch "The Kindest Thing". Zumindest oberflächlich betrachtet.

Das Buch spielt nach Neils Tod und dreht sich hauptsächlich um den Prozess, bei welchem geklärt werden soll, ob Deborah ihren Mann nach britischem Recht tatsächlich ermordet hat, oder ob sie zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig war. Denn eines ist klar: Unschuldig kann und wird sie nach britischem Recht nicht gesprochen werden. Das ist auch ihr klar. Denn egal, wieviel Verständnis Richter und Geschworene auch haben mögen, dass sie mit ihrer Tat gegen das Recht verstoßen hat, bleibt bestehen. So geht es für Deborah lediglich um das Ausmaß der Strafe.

Im Verlauf des Buches wird jedoch klar, dass sie ihre eigentliche Strafe gerade durchlebt. Der Fluss der Geschehnisse während der Verhandlung wird immer wieder durch Rückblicke unterbrochen. Das gesamte Buch ist aus Deborahs Sicht geschrieben und sie blickt damit zurück auf Momente mit ihrem Mann, Momente aus ihrem Leben vor seinem Tod. So ist es eigentlich auch die Geschichte einer ganz normalen britischen Familie. Die zwar auch viele Tiefen erlebt, aber sehr, sehr glücklich miteinander ist. Zunächst wirkten diese Momentaufnahmen auf mich irgendwie befremdlich, sogar störend im Lesefluss. Ich wollte doch eigentlich wissen, zu was Deborah denn nun verurteilt wird. Aber dann wurde mir klar, dass eben genau diese Rückblicke absolut lebenswichtig für die Geschichte und die Hintergründe selbst waren. Denn bei "The Kindest Thing" geht es nicht nur darum, dem Leser eine Geschichte zu erzählen. Sondern er soll auch die Geschichte der Protagonistin nachvollziehen und am Ende selbst urteilen sollen. Dabei geht es nicht darum, eine eigene, fest stehende Meinung zum Thema "Sterbehilfe" zu formen, sondern zu verstehen, dass es dieses allumfassende Thema gar nicht gibt, dass es von Fall zu Fall verschieden ist und man soll genau in diesem Fall auch selbst zu einem Schluss kommen. Das geht nur, wenn man das Leben von Deborah und Neil miterlebt, ihre gemeinsame Geschichte versteht, ihre Höhen und Tiefen mitverfolgen kann. Das hat Cath Staincliffe hier wirklich gut umgesetzt. Manche dieser Momente sind sehr intim und intensiv beschrieben und man kommt sich fast schon wie ein Voyeur vor, weil es eben solche Momente sind, die sich eigentlich täglich hinter den Gardinen unserer Nachbarn abspielen, von denen man aber gar nichts mitbekommen muss und soll. Andere wiederum stellen das Bild in Frage, was man bisher von dem jeweiligen Charakter hatte. Wie es eben auch im wirklichen Leben ist, wo man sich immer und immer wieder ein neues Bild von Menschen machen kann und muss.

Mir hat "The Kindest Thing" wirklich gut gefallen, obwohl ich manche Stellen überfliegen musste, weil sie mir doch zu intensiv waren. Es ist einfach ein verdammt hartes Los, wenn einen der geliebte Partner plötzlich darum bittet, ihn zu töten. Und das möchte ich gar nicht so gut nachvollziehen können, wie ich es hier manchmal konnte.

Nicht gefallen hat mir stellenweise Deborahs Charakter, da sie mir zu sehr die Märtyrer-Rolle zu übernehmen schien. Ich weiß nicht, wie realistisch es ist, dass jemand so selbstlos ist und niemals an sich denkt. Selbst, während sie im Gefängnis und im Gericht sitzt, gilt ihre einzige Sorge ihren Kindern. Ich will auch nicht zu viel spoilern, deshalb sage ich nur, dass mir das gerade vor dem Hintergrund des Verhaltens ihrer Tochter Sophie doch etwas weit hergeholt erschien. Dafür, dass es Cath Staincliffe sonst so gut geschafft hat, zu typische Rollen in dieser Geschichte zu vermeiden, war mir das einfach einen Tick zuviel "Mama Walton".

Sonst war es aber wirklich ein interessantes Buch zu einem noch interessanteren Thema.

Bewertung:

Dienstag, 25. September 2012

Themenlesen und Lesestoff im Oktober

In letzter Zeit war ich ja bis auf die ein oder andere Rezension wieder etwas ruhiger. Kommt vor. Aber um den Rezensionsfluss auch mal wieder mit etwas Geblubber von mir zu füllen, gehe ich mal die Leseliste für Oktober durch. Die ist allerdings, zumindest was die "vorgegebenen" Bücher angeht, erschreckend kurz.

Zunächst mal wurde heute von aba bei Lovelybooks das Themenlesen für Oktober gestartet. Passend zur anstehenden weihnachtlichen Völlerei geht es um Kulinarisches, also Bücher, die etwas Kulinarisches im Titel oder auf dem Cover haben. Und obwohl mein SuB momentan irgendwie hartnäckig die Grenze der dicken, fetten 30 nicht unterschreiten will, habe ich tatsächlich diesmal nur ein einziges Themenbuch gefunden. Dabei habe ich auf "Im Land der Orangenblüten" von Linda Belago momentan eigentlich auch gar keine Lust. Erstmal habe ich seit den "Purpurinseln" erstmal wieder mein Pensum erreicht, was historische Bücher angeht. Und dann muss ich sagen, dass ich momentan auch lieber dünne Bücher lese und mich so von Geschichte zu Geschichte nage, anstatt lange an einer zu kauen. Naja, trotzdem möchte ich dem Themenlesen treu bleiben und werde es wohl trotzdem versuchen. Diesmal aber vermutlich nicht gleich zu Anfang des Monats.

Das zweite zu lesende Buch wird auch wieder durch Lovelybooks bestimmt, diesmal allerdings durch die Buchempfehlungen, die mir auch immer großen Spaß machen. Ich kann wirklich jedem nur empfehlen, da auch mal mitzumachen, denn es ist echt immer wieder spannend, für welches Buch sich die anderen bei einem entscheiden. Und ich würde auch immer mal wieder ältere Bücher vom SuB einstreuen, auf die man so vielleicht gar keine Lust hat. Aktuell läuft zwar die Abstimmung für Oktober noch, aber es gibt momentan zwei führende Bücher, "The Selection" von Kiera Cass und "Der Kinderdieb" von Brom. Außerdem ist "Das geheime Zimmer" von Sam Hayes ihnen dicht auf den Fersen. Zum Teil liegen die Bücher schon sehr lang auf meinem SuB und es wäre spannend, wenn es ausgerechnet sie treffen würde. Andererseits muss ich sagen, dass ich z.B. auf "Das geheime Zimmer" jetzt gerade aktuell auch gar keine so große Lust habe. Naja, ich werde mich einfach mal überraschen lassen. Und hoffen, dass es nicht wirklich drei Gewinner gibt. Man muss sie zwar nicht alle lesen, aber ich bekomm dann immer ein schlechtes Gewissen.

Außerdem wird es, dem Zeitplan entsprechend, vermutlich so auskommen, dass im nächsten Monat mein erstes Wanderbuch bei mir eintreffen wird. Weil ich eigentlich lieber Bücher wandern lasse, als selbst an Runden teilzunehmen, bin ich aktuell nur bei drei davon auf der Liste. Ich habe in letzter Zeit mitbekommen, dass sich einige doch sehr damit übernehmen. Es "kostet nichts", man muss selbst nichts groß machen, außer das Buch in Empfang nehmen und weiterschicken...das scheint einige dazu zu verleiten, sich für viel zu viele Bücher anzumelden und dann kommt plötzlich alles auf einmal, weil man den Zeitplan eben doch nicht soooo genau durchplanen kann und dann hat man den Salat. Da bin ich lieber vorsichtig. Naja, jedenfalls ist es jetzt bald soweit und bei "Jetzt ist bald und nichts ist los" von Katarina Fischer bin ich die Nächste in der Reihe. Da will ich dann natürlich auch gleich loslegen, damit wegen mir nicht alles ins Stocken kommt, zumal ich sowieso vermutlich nur auf der Arbeit lesen werde, damit dem Buch auch jaaaa nichts passiert. Da lese ich nämlich an meinem sauberen Schreibtisch und es gibt wenig "Gefahren". Meine Paranoia...auch so ein Punkt, warum ich mich bei Wanderbüchern überwinden muss. ;) Jedenfalls freue ich mich schon sehr auf das Buch. Ich werde dieses Jahr 30 und irgendwie passt es aktuell ganz gut.

Da habt ihrs. Sonst hab ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, was ich lesen möchte / werde. Nachdem ich "Switched" so toll fand, juckt es mich ja in den Fingern, mir die anderen Bücher die "Trylle Trilogy" gleich noch zu kaufen. Andererseits muss auch der SuB endlich schrumpfen, denn London ist nicht mehr weit weg. Was also tun?

Montag, 24. September 2012

[Trylle Trilogy #1] "Switched" von Amanda Hocking

Zum Inhalt: An ihrem sechsten Geburtstag hat Wendy Everly knapp einen Mordversuch überlebt, ausgeübt von ihrer eigenen Mutter. Die glaubt nämlich, dass Wendy nicht ihr Kind ist und gegen ihren eigenen Sohn vertauscht wurde.

Heute ist Wendy 17 und mittlerweile glaubt auch sie, dass sie nicht in diese Familie gehört. Zwar wohnt sie nun bei ihrer Tante Maggie und ihrem Bruder Matt, die sie beide liebt und die sie auch gut behandeln, aber dennoch kann sie das Gefühl nicht abschütteln, dass sie anders ist und hier nicht hingehört. Sie sieht nicht nur anders aus als alle in ihrer Familie und hat völlig andere Charaktereigenschaften, sondern sie hat auch gemerkt, dass sie über die Fähigkeit verfügt, die Gedanken anderer zu beeinflussen. Plötzlich taucht auch noch Finn an ihrer Schule auf, der ihr genau diesen Verdacht bestätigt und sie in das eigentlich für sie bestimmte Leben zurückbringen will.

Infos zum Buch: "Switched", Pan Macmillan, Taschenbuch, 356 Seiten, 8,30 € | Bei Amazon kaufen

Meine Meinung: Die Bücher der Trylle Trilogy hatte ich schon länger im Auge. Aber irgendwie hatten die Buchläden immer nur den zweiten und dritten Band auf Lager. Und dann ist es ja immer, wie es so ist: Man nimmt sich vor, es später zu bestellen und vergisst es dann doch wieder. Als ich dann kürzlich "Switched" in der Thalia sah, nahm ich es gleich mit und weil ich so gespannt war und sowieso ein neues Buch anfangen wollte, kam es auch gleich an die Reihe.

Was mich an dem Buch von Anfang an fasziniert hat war, ohne abfällig wirken zu wollen, dass es sich um Young Adult Fantasy handelt, aber keine Vampire oder Werwölfe vorkommen. Die sind meiner Meinung nach momentan einfach so ausgelutscht, dass ich die Bücher schon immer angeödet aus der Hand lege.Ohne zu viel verraten zu wollen, kann ich sagen, dass es sich hier um Trolle handelt. Wie viele Autoren es auch mit Vampiren gemacht haben, hat Amanda Hocking aber auch hier ihre eigene Vorstellung umgesetzt und bedient sich nur bei wenigen Clichés zu diesen Wesen.

Anfangs fand ich es schwer, Wendy wirklich zu mögen, weil ihre Geschichte einfach so typisch beginnt. Das Außenseiter-Mädchen, still und in sich gekehrt, ernster und verträumter als ihre Altersgenossinnen. Doch das ändert sich relativ schnell, ihr Charakter gewinnt an Tiefe und lässt sich auch besser einschätzen.Stellenweise hätte ich mir zwar gewünscht, dass die Autorin sich mehr Zeit nimmt, um Wendys Motive für ihre Handlungen zu beschreiben, weil so die ein oder andere Stelle schwer nachvollziehbar erscheint. Aber andererseits stört das auch nicht wirklich den Verlauf der Geschichte.

Im Gegenteil liest sich "Switched" sehr flüssig und spannend. Man möchte nicht nur endlich wissen, wie es weitergeht, sondern auch mehr über die Trylle lernen. Die wohnen nämlich zwar auch in einem ganz normal wirkenden Städtchen in den USA, haben aber ihre ganz eigenen Regeln und Traditionen. Gerade weil Trolle für mich komplett neue Wesen sind, war es spannend zu erfahren, was Amanda Hocking sich darunter vorstellt und wie sie es umsetzt.

Natürlich entwickelt sich zwischen Wendy und Finn auch eine kleine Liebesgeschichte. Doch die wirkt nicht zu kitschig und wird auch nicht übertrieben in den Vordergrund gedrängt.Das wäre auch gar nicht nötig, denn was Emotionen angeht, hat Wendy genug Baustellen. Sie vermisst ihre Familie, lernt neue Leute kennen, deren Rollen in ihrem Leben sie verwirren und muss sich dazu auch noch in ihre neue Identität einleben. Da spielt die Liebesgeschichte mit Finn natürlich nur eine von vielen Rollen.

Mich hat "Switched" richtig begeistert. Sicherlich hat der Schreibstil stellenweise Schwächen, was aber, denke ich, einfach auch am Alter und der Erfahrung der jungen Autorin liegt. Man merkt jedoch, dass sie sich wirklich Mühe gegeben hat, eine sehr originelle Geschichte zu erfinden, bei welcher sie auch viel Wert auf Details legt.

Was übrigens gut passt ist, dass ich aktuell die US-Serie "Once Upon a Time" (läuft aktuell auf Super RTL, ich empfehle aber, online die Originalversion zu schauen) liebe. Zwar geht es da um Märchenbuchcharaktere, aber auch die leben in einem kleinen Städtchen in den USA, haben eine strenge Anführerin und erinnern mich einfach an vielen Stellen an die Geschichte aus "Switched". So habe ich viele von ihnen vor Augen gehabt, als ich das Buch gelesen habe.

Bewertung:

Samstag, 22. September 2012

"Geisterfjord" von Yrsa Sigurdardóttir

Zum Inhalt: Das Ehepaar Katrín und Gardar fahren zusammen mit ihrer Freundin Líf raus in einen einsamen Fjord. Dort haben sie ein altes Haus gekauft und wollen es in ein Gästehaus umbauen, in welchem sie im Sommer Feriengäste aufnehmen wollen. Kaum angekommen werden die drei jedoch mit einer Reihe unerklärlicher Vorkommnisse konfrontiert und werden schließlich von einem seltsamen Kind verfolgt.

Gleichzeitig wird in Isarfjördur der Psychologe Freyr bei einem Fall von Vandalismus in einer Schule hinzugezogen. Damit beginnt auch für ihn eine ganze Reihe von Geschehnissen, die er sich nicht erklären kann. Irgendwie scheint alles mit seinem verstorbenen Sohn Benni zusammenzuhängen. Doch nicht nur das lässt Freyr schließlich an seiner eigenen geistigen Gesundheit zweifeln.

Infos zum Buch: "Geisterfjord", Fischer Taschenbuch Verlag, Taschenbuch, 386 Seiten, 8,99 € | Bei Amazon kaufen

Meine Meinung: Puh, es hat ganz schön lange gedauert, bis ich das, mein, Buch auch endlich lesen durfte. Zwar hatte ich es letztes Jahr zum Geburtstag bekommen, aber seitdem waren irgendwie alle scharf darauf und so "durfte" ich es erst einmal allen möglichen Leuten ausleihen, bis ich selbst an der Reihe war.

Nachdem ich es jetzt aber gelesen habe, wundert mich auch wirklich nicht mehr, wie beliebt es ist. Was Gruselbücher angeht, bin ich ja relativ abgestumpft, weil einem so oft bei Krimis und Thrillern Gänsehaut versprochen wird und ich mich letztendlich eigentlich eher selten dabei gegruselt habe. Deshalb bin ich auch mit geringen Erwartungen an "Geisterfjord" rangegangen. Umso überraschter, oder sollte ich sagen geschockter, war ich, als ich dann wirklich plötzlich kaum noch einschlafen konnte.

Die Geschichte um Katrín, Gardar und Líf ist ja eigentlich fast schon ein kleines Cliché. Altes Haus in einem verlassenen Dorf, weit weg von jeglicher Zivilisation, kein Strom, kein Telefon. So oder so ähnlich fängt ja auch jeder zweite Horrorfilm an. Besonders Líf hätte auch recht gut in einen solchen Film als Hollywood gepasst, denn sie wird wie eine Art isländische Paris Hilton beschrieben. Hübsch, verwöhnt, zickig und reist natürlich mit ihrem kleinen Hund Putti (der übrigens mein heimlicher kleiner Held des Buches ist). Dennoch schafft Yrsa Sigurdardóttir es, dass man gleich einen Zugang zu den Charakteren bekommt und sich in sie hineinversetzen kann. So hat man auch gleich zu Anfang dieses ungute Gefühl, dass auch Katrín spürt. Obwohl ich noch nie in Island war, schon gar nicht in einem einsamen Fjord im Winter, konnte ich mir das Dorf und die Häuser gleich vorstellen. Ein verlassenes Dorf an sich ist ja schon gruselig genug, aber durch die ständige Dunkelheit und den Mangel an Strom bekommt alles nochmal einen fast schon depressiven Touch.

Die Handlung um Freyr hingegen wirkt auf den ersten Blick fast schon ernüchternd normal. Er selbst ist ein sehr strukturierter, simpler Charakter. Im Laufe der Geschichte bekommt man dann auch mit, dass der Verlust seines Sohnes dazu geführt hat, dass er dieses auf das Wichtigste reduzierte Leben führt. Er geht auf in seiner Arbeit, obwohl es ihm auch aufs Gemüt schlägt, dass er dadurch so viel Kontakt zu geistig kranken Menschen und deren Schicksal hat. Die Ereignisse um Freyr entwickeln sich langsamer und während man sich bei der Handlung im Fjord quasi die ganze Zeit gruselt, spürt man bei der Beschreibung der Geschehnisse in Isarfjördur eher eine Art Melancholie. Umso ein großer Schock ist es dann jedes Mal, wenn plötzlich ein unerklärliches Ereignis die Monotonie von Freyrs Alltag stört.

So sind beide Seiten also nichts für schwache Nerven. Ich konnte das Buch teilweise gar nicht aus der Hand legen, was natürlich doof ist, wenn man es dann plötzlich nachts allein im Bett liest und dann nicht mehr einschlafen kann.

Einige Wendungen der Geschichte fand ich schon extrem vorhersehbar, vor allem die Geschichte um die drei Freunde im Fjord. Andere wiederum haben mich richtig überrascht, wodurch sich das auch wieder ausgleicht und die Handlung nicht monoton oder stellenweise langweilig wirkt.

Ich hoffe, dass Frau Sigurdardóttir in Zukunft noch weitere Thriller schreibt. Zwar werde ich mir auch mal einen ihrer Krimis zu Gemüte führen, aber ich glaube nicht, dass man dabei so schön Gänsehaut bekommt, wie es bei "Geisterfjord" der Fall war.

Bewertung:

Donnerstag, 20. September 2012

"Bevor ich sterbe" von Jenny Downham

Zum Inhalt: Tessa ist gerade einmal 16 Jahre alt. Und doch weiß sie, dass sie vermutlich nicht einmal ihr 17. Lebensjahr erreichen wird. Denn Tessa hat Leukämie. Sie weiß, dass sie kein normaler Teenager ist und doch beschließt sie, dass sie Dinge erleben will, die andere Mädchen in ihrem Alter auch erleben dürfen. Sie will ihr Leben genießen, sofern möglich, aber vor allem will sie sich verlieben. Das erscheint unmöglich in ihrer Situation, bis sie ihren Nachbarn Adam kennenlernt.

Infos zum Buch: "Bevor ich sterbe", Goldmann Verlag, Taschenbuch, 320 Seiten, 8,95 € | Bei Amazon kaufen

Meine Meinung: Bei meinen Buchempfehlungen für September hat dieses Buch mit großem Abstand gewonnen. Gleichzeitig wurde mir aber auch empfohlen, eine große Box Taschentücher bereit zu haben. Vorweg muss ich deshalb erwähnen, dass ich es tatsächlich geschafft habe, bei dem Buch nicht zu weinen. Das lag allerdings nur am Schreibstil. Der ist nämlich fast durchweg rotzig und betrachtet Tessas Lage mit einem fast schon kaltherzigen Abstand. Kein Wunder, denn das Buch ist komplett aus ihrer eigenen Sicht geschrieben. Von todkranken Menschen hört man ja immer wieder, dass sie sich irgendwann mit ihrer Situation abfinden. Und anders als Außenstehende bemitleiden sie sich nicht, betrachten ihr Leben auch nicht mit einer Art trauriger Melancholie, sondern wirken häufig fast schon so, als ob sie zu hart zu sich selbst sind. Das ist auch bei Tessa der Fall. Sie betrachtet ihre Krankheit und auch den immer näher rückenden Tod mit einer Art Galgenhumor, der sogar mich oft sprachlos gemacht hat. Das sorgt dann allerdings auch für eine gehörige Portion Realismus. Hier wird nichts übertrieben romantisch oder theatralisch dargestellt.

An vielen Stellen wird auch klar, dass Tessa nicht mehr weiß, wie sie mit den Menschen in ihrem Umkreis umgehen soll. Sie kann weder etwas mit der traurigen, vorsichtigen Art umgehen, mit welcher ihr Vater sie behandelt, noch mit der distanzierten, fast schon ignoraten Art ihrer Freundin Zoey. In den Rollen der unterschiedlichen Charaktere erkennt man auch, wie verschieden Menschen mit dem Krebs und dem Tod umgehen. Einige scheinen sich sehr schwer damit zu tun, Tessa noch als normalen Menschen wahrzunehmen, andere wiederum scheinen sich gar nicht großartig damit auseinanderzusetzen. So scheint Zoey z.B. gar keine Rücksicht auf ihre todkranke Freundin zu nehmen. Im Gegenteil, sie stachelt sie sogar immer mehr an, Dinge zu tun, die schon für einen gesunden Teenager anstrengend wären, für Tessa aber fast schon unüberwindbar wirken. Und es wird auch immer mehr klar, dass Tessa selbst damit am besten umgehen kann.

Berührend fand ich am meisten die Beziehung zwischen ihr und ihrem Bruder. Denn an ihm merkt man am besten, wieviel ihm fehlen wird, wenn seine große Schwester nicht mehr ist. Stellenweise eher schwach fand ich dagegen die Szenen mit Adam. Dafür, dass die Beziehung zwischen ihm und Tessa in der Beschreibung einen Hauptbestandteil der Geschichte auszumachen scheint, hatte sie für mich doch erstaunlich wenig Einfluss darauf. Schön fand ich daran eigentlich hauptsächlich, wie überraschend "normal" die junge Liebe zwischen den beiden beschrieben wird. Stellenweise kann man fast vergessen, dass Tessa unheilbar krank ist.

Das Einzige, was mich an "Bevor ich sterbe" wirklich gestört hat, war die oft sehr holprige Übersetzung. Obwohl ich natürlich nur die deutsche Version kenne, glaube ich, dass dieser sprachlich schwierige Schreibstil wirklich von der sehr schlechten Übersetzung herrührt. Es gab viele Situationen, bei denen ich mir gut vorstellen kann, dass sie im Englischen so funktionieren. Auf Deutsch hätte man sie aber mehr unserem Sprachstil anpassen müssen, damit es nicht komisch wirkt.

Insgesamt hat mir "Bevor ich sterbe" wirklich sehr gut gefallen. Das Buch setzt sich auf eine schöne klare Art mit einem absoluten Tabuthema auseinander. Wie gesagt, wahnsinnig berühren konnte es mich nur selten, aber vielleicht hätte es auf mich dann auch zu kitschig gewirkt.

Bewertung:

Dienstag, 11. September 2012

"Das Leuchten der Purpurinseln" von Doris Cramer

Zum Inhalt: Es ist das Jahr 1520. Mirijam und ihre Schwester Lucia werden von ihrem todkranken Vater von Antwerpen nach Spanien geschickt. Dort soll Lucia heiraten, damit die Mädchen auch nach dem Tod des Vaters versorgt sind. Doch während der Überfahrt von Belgien nach Spanien wird das Schiff von Piraten angegriffen und die Mädchen werden verschleppt. Für Mirijam beginnt damit eine aufregende Reise an Orte, von denen sie vorher nichtmal zu träumen gewagt hatte. Sie lernt Wüsten, das Meer und ihr völlig fremde Kulturen kennen.

Infos zum Buch: "Das Leuchten der Purpurinseln", Blanvalet Taschenbuch Verlag, Taschenbuch, 672 Seiten, 9,99 € | Bei Amazon kaufen

Meine Meinung: Ich hatte das Buch lange im Voraus vorbestellt, als ich es bei einer Empfehlung bei Amazon gesehen hatte. Der Grund dafür lag auf der Hand: Ich liebe historische Bücher, die einen Hauch von Abenteuer haben und versuche dabei auch immer wieder solche zu lesen, die in neuen, für mich unbekannten Gegenden spielen. Nordafrika, Spanien, Belgien...das alles war für mich literarisch noch relativ neu.

Zunächst einmal schreckt natürlich die enorme Dicke des Buches ab. Doch bei genauerem Betrachten ist alles halb so schlimm. Das Buch ist in mehrere Abschnitte unterteilt, die zusätzlich auch noch in Kapitel aufgeteilt sind. Dabei wechselt die Geschichte ab zwischen Mirijam / Lucia und Mirijams Jugendfreund Cornelisz. Beide, bzw. alle drei, erleben unabhängig voneinander völlig ungeplant die Abenteuer ihres Lebens. Bei dieser Erzählweise bin ich immer etwas skeptisch, weil man dann so plötzlich aus der Geschichte herausgerissen wird. Hier wird es auch nicht aus der jeweiligen Perspektive der Personen, sondern von der eines stillen Beobachters beschrieben. So ist es also auch nicht so, dass man ähnliche Situationen aus unterschiedlichen Blinkwinkeln sieht, sondern zu einem Großteil des Buches wechselt man einfach von einer spannenden Handlung zur nächsten. Ich persönlich kann mich jetzt nicht wirklich entscheiden, ob ich das in diesem Fall gut oder schlecht fand. Einerseits ist es blöd, wenn man aus einer spannenden Handlung rausgerissen wird, andererseits freut man sich aber auch zu erfahren, was mit der anderen Person passiert.

Völlig überflüssig fand ich dagegen den Prolog. In unserer Leserunde bei Lovelybooks hatten sich viele beschwert, dass er zu viel vorweggenommen hat. Das fand ich persönlich jetzt nicht wirklich, was aber auch daran lag, dass ich den Bezug zu der Geschichte erst dann hergestellt hab, als es jemand erwähnt hat. Bis zu dem Punkt, wo überhaupt erst die im Prolog erwähnte Situation in Betracht käme, sind es mehrere hundert Seiten und bis dahin habe ich schon gar nicht mehr an ihn gedacht. Ich muss dagegen sagen, dass er für mich keinen wirklichen Einstieg in die Geschichte gegeben hat. In der Leserunde hatte die Autorin erklärt, dass sie ihn unter anderem deshalb eingebaut hat, damit die Geschichte nicht gleich so negativ mit dem todkranken Vater losgeht. Unter dem Aspekt finde ich das natürlich ganz nett, hätte das aber auch nicht unbedingt gebraucht.

Die Stärke des Buches liegt für mich ganz eindeutig in den Charakteren. Da ist jeder für sich so einzigartig und fast sofort liebenswert. Die Einzige, die mir absolut nichts gesagt hat, war Lucia, aber das ist angesichts des geringen Einflusses, den sie auf die Geschichte hat, wohl auch nicht überraschend. Bei Mirijam habe ich einen Moment gebraucht, um sie einschätzen zu können. Da sich die Ereignisse am Anfang überschlagen und sie verständlicherweise eingeschüchtert ist, konnte ihr eigentlich recht forscher Charakter gar nicht richtig durchscheinen, weshalb ich sie erst später richtig packen konnte. Dann hat sie mir aber sehr gut gefallen. Mein erklärter Liebling war jedoch der Abu, der zwar erst später in der Geschichte erscheint, dafür aber durch seine Herzlichkeit sofort ein Stein bei mir im Brett hatte.

Auch sehr schön sind die Beschreibungen der verschiedenen Länder und Umgebungen. Die Farben, die ja schon im Titel aufgegriffen werden, sind einfach wunderbar beschrieben, ebenso Gerüche, Wetter und auch sonst all das, was wir unbewusst an unserem Heimatort kennen und lieben und an neuen Orten sofort bemerken. Das fand ich persönlich sehr beeindruckend, wenn auch manchmal etwas langatmig.

Diese Langatmigkeit ist es dann auch, die da Buch für mich letztendlich leider nur auf drei Kittens gebracht haben. Die spannenden und schönen Stellen waren wirklich richtig toll, aber die vielen Wiederholungen, die langen Beschreibungen von Mirijams Gefühlsleben...manchmal wurde mir das einfach zu langweilig. Da hätten es ein paar Seiten weniger auch getan.

Bewertung: