Donnerstag, 2. Juni 2011

Der Medicus von Noah Gordon


Irgendwann letztes Jahr hatte ich plötzlich mal Lust, mich dem Genre "historische Romane" zu nähern. Aber wo fängt man an? Hilfesuchend habe ich meine Mom gefragt, die auch relativ viel liest und dabei auch immer mal Bücher aus den unterschiedlichsten Bereichen zu empfehlen weiß. Ohne zu überlegen riet sie mir zum Medicus. Ebenfalls ohne großes Nachdenken nahm ich dann auch gleich eine Ausgabe beim nächsten Besuch einer Buchhandlung mit. Diese sollte jedoch erst einmal einige Monate in meinem Regal Staub sammeln. Bis ich Anfang des Jahres für längere Zeit ins Krankenhaus musste. Da hat man ja bekanntlich viel Zeit und daher dachte ich mir, die Zeit wäre langsam gekommen, sich an die erschreckend vielen Seiten zu machen, welche mir die Tür zu einem mir neuen Genre eröffnen sollten.

Tja, was soll ich sagen? Anfangs noch sehr zurückhaltend habe ich mich doch schnell in dieses Buch verliebt. Es kommt tatsächlich nicht so oft vor, dass ich nachvollziehen kann, warum ein Buch so beliebt ist, aber hier kann ich das voll und ganz. Schon von Anfang an versteht Gordon es, den Leser in die damalige Zeit zu versetzen, beschreibt das alte London so gut, dass man beim Lesen fast schon die Themse vor sich sieht und die Gerüche in der Nase hat.

Wie bereits erwähnt ist das Buch mit knapp 700 Seiten sehr dick und die Geschichte von Rob entsprechend lang. Da liegt die Vermutung natürlich nahe, dass es immer mal wieder Punkte gibt, die sich ziehen wie Kaugummi, bei denen man sich zum Lesen zwingen muss, in der Hoffnung, dass die Geschichte mal wieder an Spannung gewinnt. Das Gefühl hatte ich aber überhaupt nicht. Nicht zuletzt deshalb, weil Gordon hier eine Geschichte erzählt, die aus mehreren Teilen besteht, welche für sich allein auch schon eine gesamte Geschichte sein könnten. So ist Robs Leben in mehrere Abschnitte unterteilt, welche alle mehr oder weniger durch wichtige Ereignisse gestartet werden. Das Spannende hierbei ist, dass er sein Leben in vollkommen unterschiedlichen Ecken der Welt lebt. Zunächst reist er als Baderlehrlich quer durch England, dann nimmt er die beschwerliche Reise nach Isfahan auf sich, wo er schließlich lange Jahre lebt. Dabei lebt er nicht nur an komplett unterschiedlichen Orten, sondern trifft auch auf die verschiedensten Personen. Und doch schafft Gordon es, jede einzelne Situation, jeden Charakter, jeden Ort so zu beschreiben, dass man es sich bildlich vorstellen kann und, noch wichtiger, dass man tatsächlich glaubt, es könnte so gewesen sein. Und das komplett ohne Clichés. Im Gegenteil hat man hier fast schon das Gefühl, dass der Autor selbst damals gelebt hat und deshalb auch Sitten und Bräuche wie selbstverständlich in der Geschichte unterbringt. Das Schöne hierbei ist, dass zwar auch viele uns fremde Dinge erklärt werden, dabei jedoch nie das Gefühl aufkommt, dass man ein Sachbuch liest oder dass trockenes Wissen vermittelt wird. Die Erklärungen sind stets passend untergebracht. Und da man Rob vom Kindesalter an verfolgt, hat man einfach das Gefühl, dass man alles mit ihm zusammen lernt. Zuerst lernt er, wie jeder junge Mensch, alles Wissenswerte über seine Heimat und das Leben an sich. Später muss er sich ein umfangreiches Wissen über das Leben als Jude in Isfahan und natürlich für sein Studium der Medizin aneignen. Da lernt man auch als Leser quasi nebenbei mit.

Ich fand "Der Medicus" absolut spannend und gelungen. Wie auch bei mir würde ich jedem das Buch als Einstieg in dieses Genre empfehlen, denn hier muss man kein Wissen mitbringen, sondern lernt mit Spaß dazu. Ein weiteres Buch von Noah Gordon liegt auch bereits in meinem Bücherregal und ich möchte fast schon garantieren, dass es jedem so gehen wird.


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