Samstag, 21. Januar 2012

The Tokyo Diaries von David Schumann



Zum Inhalt: Mit 29 kommt David Schumann zu der Erkenntnis, sein Leben bisher verschwendet und ziemlich in den Sand gesetzt zu haben. Um sich selbst auf die Probe zu stellen und allen zu beweisen, dass er doch was drauf hat, geht er für ein Jahr nach Japan, um dort zu studieren. Dort stellt er fest, dass das Leben da ganz anders ist. Wird er diese Herausforderung meistern? In dieser Autobiographie / Reisebericht beschreibt er die Höhen und Tiefen des Lebens im land der aufgehenden Sonne.

Meine Meinung: Kein Zweifel, David Schumann ist nun nicht gerade ein sympathischer Typ. Zumindest nicht von dem, was man hier zu lesen bekommt. Zu Anfang scheint dies auch seine Selbsteinschätzung zu sein. Das und dass er bisher nicht gerade ein erfolgreiches Leben geführt hat. Von Versagen und Drogen ist da die Rede. Und dann geht er nach Japan, um dort...ja, was eigentlich zu finden? Schnellen, oberflächlichen Sex? 24/7 Besäufnis mit billigem Alkohol? Jeden Abend Karaoke bis früh morgens? Ich weiß es nicht, aber wenn man die Beschreibungen seines Alltags dort so liest, erscheint es einem fast so.

Ich habe mich jedenfalls ständig hin- und hergerissen gefühlt, ob ich den Autor jetzt wirklich richtig schlimm oder wegen seiner authentischen Wiedergabe der Geschehnisse und - auch ich bin oberflächlich - dem ähnlichen Musikgeschmack sympathisch finde. Immer, wenn ich gerade dabei war, ihn zu mögen, macht er das aber wieder mit seiner unglaublich arroganten, oberflächlichen und teilweise wirklich überheblichen Art zunichte. Andere Leute - besonders Autoritätspersonen - werden von ihm komplett zerissen und fast schon beleidigend dargestellt. Er schreibt zwar, dass er die Liebe sucht, aber was er sich davon verspricht, wird mir nicht klar. Denn wenn er wirklich jemanden hat, scheint er damit nichts anfangen zu können und belügt und betrügt nach Strich und Faden, um - man ahnt es - körperlichen Freuden zu frönen. Aber dann kommen auch wieder richtig tolle Momente, in denen er selbst erkennt, wie wichtig Freundschaft ist, wie wahnsinnig toll diese Chance ist, die er da bekommt...ein Jahr in diesem aufregenden Land verbringen zu dürfen.

Aber warum fand ich dieses Buch dann trotz der vielen Widersprüche so toll?

Wie gesagt, meine Meinung über David Schumann habe ich mir nicht wirklich bilden können. Auch jetzt bin ich mir noch unklar darüber, was ich von ihm als Person halte. Aber irgendwann wurde mir einfach klar, dass das auch vollkommen egal ist. Klar, "The Tokyo Diaries" ist seine Geschichte, seine Zeit in Japan, seine Autobiographie. Aber letztendlich geht es darum, dass eine Person sich selbst komplett aus dem ihr bekannten Leben reißt und sich an einen anderen Ort verpflanzt, welcher nicht in einem krasseren Gegensatz zur gewohnten Heimat stehen könnte. Und dieses Zurechtfinden, seinen eigenen Rhythmus anpassen und sich auf die neuen Menschen und Umstände einlassen ist es, um das es hier geht. Das und natürlich die Beschreibung vom Leben in Japan an sich. Was ist es, das die Menschen da so anders erscheinen lässt, welche Sitten gibt es dort? Und im Gegensatz zu vielen konventionellen Reiseberichten und -führern geht Schumann hier nicht auf reine Daten und Fakten ein, wie es für viele Touristen interessant wäre. Hier geht es vielmehr darum, was denn so ein japanischer Durchschnittsbürger abends nach der Arbeit macht, wie er lebt, liebt und sich amüsiert. Das alles aus der Sicht eines eigentlichen Außenseiters, der sich aber perfekt in die neue Situation einzufügen weiß. Und so erleben wir beide Seiten, die von der Person, dessen Alltag Tokio ist und die des Einsamen in der Fremde - Höhen und Tiefen inklusive.

Außerdem habe ich persönlich mich, wie gesagt, sehr gefreut, dass Schumann selbst auch ein so großer Fan von Musik ist. Viele der erwähnten Bands höre ich selbst sehr gerne. Und durch die Beschreibungen der Auftritte seiner Band, der vielen Karaoke-Nächte und der Momente, in denen er einfach mal nur Musik gehört hat, habe auch ich meine Liebe dazu neu aufblühen lassen können. Ich hab gleich nach Beenden des Buches meine Diskographie von Dashboard Confessional vervollständigt und hab erstmal gemütlich "richtig" Musik gehört. Danke dafür, Herr Schumann!

Bewertung:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Du willst mir einen Kommentar hinterlassen? Super, darüber freue ich mich sehr!

Kritik und Anregungen sind genauso willkommen wie Lob und liebe Grüße. Aber bitte bleib dabei immer höflich, auch meinen anderen Lesern gegenüber. Kommentare, die mich oder andere beleidigen, rassistisch oder sexistisch sind, werden nicht freigeschaltet.

Bitte hab Verständnis dafür, dass ich alle Kommentare manuell freischalte, weil ich auch nicht temporär Spam oder Flaming auf meinem Blog haben möchte.