Donnerstag, 27. September 2012

"The Kindest Thing" von Cath Staincliffe

Zum Inhalt: Deborah ist verheiratet mit ihrem Mann Neil, den sie sehr liebt. Sie hat zwei großartige Kinder. Ihr Job als Innenarchitektin läuft fantastisch. Kurzum: Ihr Leben könnte nicht perfekter sein. Doch dann bekommt Neil eine fatale Diagnose: Er leidet unter MND, einer unheilbaren Nervenkrankheit, welche ihn in kurzer Zeit zunächst bewegungsunfähig macht und schließlich zum Tod durch Ersticken führen wird. Als er sie um Sterbehilfe bittet, sagt Deborah schließlich zu und muss danach mit den Konsequenzen und den Reaktionen von Familienmitgliedern und Freunden leben.

Infos zum Buch: "The Kindest Thing", Constable & Robinson, Taschenbuch, 288 Seiten, 10,99 € | Bei Amazon kaufen

Meine Meinung: Das Thema "Sterbehilfe" ist völlig zurecht ein umstrittenes Thema. Schon vorab war ich mir nie wirklich sicher, wie ich dazu stehe, weil ich einfach finde, dass es im Nachhinein unheimlich schwer ist, zu sagen, ob der Verstorbene wirklich einverstanden war und wenn ja, unter welchen Umständen dieses Einverständnis gegeben wurde. Genau damit befasst sich auch "The Kindest Thing". Zumindest oberflächlich betrachtet.

Das Buch spielt nach Neils Tod und dreht sich hauptsächlich um den Prozess, bei welchem geklärt werden soll, ob Deborah ihren Mann nach britischem Recht tatsächlich ermordet hat, oder ob sie zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig war. Denn eines ist klar: Unschuldig kann und wird sie nach britischem Recht nicht gesprochen werden. Das ist auch ihr klar. Denn egal, wieviel Verständnis Richter und Geschworene auch haben mögen, dass sie mit ihrer Tat gegen das Recht verstoßen hat, bleibt bestehen. So geht es für Deborah lediglich um das Ausmaß der Strafe.

Im Verlauf des Buches wird jedoch klar, dass sie ihre eigentliche Strafe gerade durchlebt. Der Fluss der Geschehnisse während der Verhandlung wird immer wieder durch Rückblicke unterbrochen. Das gesamte Buch ist aus Deborahs Sicht geschrieben und sie blickt damit zurück auf Momente mit ihrem Mann, Momente aus ihrem Leben vor seinem Tod. So ist es eigentlich auch die Geschichte einer ganz normalen britischen Familie. Die zwar auch viele Tiefen erlebt, aber sehr, sehr glücklich miteinander ist. Zunächst wirkten diese Momentaufnahmen auf mich irgendwie befremdlich, sogar störend im Lesefluss. Ich wollte doch eigentlich wissen, zu was Deborah denn nun verurteilt wird. Aber dann wurde mir klar, dass eben genau diese Rückblicke absolut lebenswichtig für die Geschichte und die Hintergründe selbst waren. Denn bei "The Kindest Thing" geht es nicht nur darum, dem Leser eine Geschichte zu erzählen. Sondern er soll auch die Geschichte der Protagonistin nachvollziehen und am Ende selbst urteilen sollen. Dabei geht es nicht darum, eine eigene, fest stehende Meinung zum Thema "Sterbehilfe" zu formen, sondern zu verstehen, dass es dieses allumfassende Thema gar nicht gibt, dass es von Fall zu Fall verschieden ist und man soll genau in diesem Fall auch selbst zu einem Schluss kommen. Das geht nur, wenn man das Leben von Deborah und Neil miterlebt, ihre gemeinsame Geschichte versteht, ihre Höhen und Tiefen mitverfolgen kann. Das hat Cath Staincliffe hier wirklich gut umgesetzt. Manche dieser Momente sind sehr intim und intensiv beschrieben und man kommt sich fast schon wie ein Voyeur vor, weil es eben solche Momente sind, die sich eigentlich täglich hinter den Gardinen unserer Nachbarn abspielen, von denen man aber gar nichts mitbekommen muss und soll. Andere wiederum stellen das Bild in Frage, was man bisher von dem jeweiligen Charakter hatte. Wie es eben auch im wirklichen Leben ist, wo man sich immer und immer wieder ein neues Bild von Menschen machen kann und muss.

Mir hat "The Kindest Thing" wirklich gut gefallen, obwohl ich manche Stellen überfliegen musste, weil sie mir doch zu intensiv waren. Es ist einfach ein verdammt hartes Los, wenn einen der geliebte Partner plötzlich darum bittet, ihn zu töten. Und das möchte ich gar nicht so gut nachvollziehen können, wie ich es hier manchmal konnte.

Nicht gefallen hat mir stellenweise Deborahs Charakter, da sie mir zu sehr die Märtyrer-Rolle zu übernehmen schien. Ich weiß nicht, wie realistisch es ist, dass jemand so selbstlos ist und niemals an sich denkt. Selbst, während sie im Gefängnis und im Gericht sitzt, gilt ihre einzige Sorge ihren Kindern. Ich will auch nicht zu viel spoilern, deshalb sage ich nur, dass mir das gerade vor dem Hintergrund des Verhaltens ihrer Tochter Sophie doch etwas weit hergeholt erschien. Dafür, dass es Cath Staincliffe sonst so gut geschafft hat, zu typische Rollen in dieser Geschichte zu vermeiden, war mir das einfach einen Tick zuviel "Mama Walton".

Sonst war es aber wirklich ein interessantes Buch zu einem noch interessanteren Thema.

Bewertung:

1 Kommentar:

  1. Ein sehr interessantes Buch, landet gleich mal auf meiner Wunschliste :)

    Lg, Sandrina

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